Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist ein wichtiger Meilenstein in der Integration des European Accessibility Act (EAA) in das deutsche Rechtssystem, um die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen umfassend zu verbessern. Seit seiner Verabschiedung im Juli 2021 und der ergänzenden Verordnung im Juni 2022, die als BFSGV bekannt ist, stehen Unternehmen vor der Herausforderung, bis zum 28. Juni 2025 sicherzustellen, dass sie die festgelegten Anforderungen erfüllen.
Übersicht der betroffenen Produkte und Dienstleistungen
Das BFSG legt besonderen Wert auf die Barrierefreiheit verschiedener Produkte und Dienstleistungen. Betroffen sind:
- Hardwaresysteme für Universalrechner: Dies umfasst Verbraucherprodukte, einschließlich Betriebssysteme, wie Computer.
- Selbstbedienungsterminals: Dazu zählen Automaten wie Geldautomaten, Zahlungsterminals oder Check-in-Automaten.
- Verbraucherendgeräte für Telekommunikationsdienste: Zum Beispiel Mobiltelefone und interaktive Fernseher.
- E-Book-Lesegeräte: Diese Geräte müssen ebenfalls barrierefrei sein.
Auf der Dienstleistungsseite sind betroffen:
- Telekommunikationsdienste: Einschließlich Telefonie und Messaging-Dienste.
- Personenbeförderungsdienste: Hierbei müssen Webseiten, Apps, elektronische Ticketdienste und Informationsbereitstellung barrierefrei gestaltet sein.
- Bankdienstleistungen: Alle Dienstleistungen im Bankensektor für Verbraucher müssen barrierefrei angeboten werden.
- E-Book-Software und Dienste des elektronischen Geschäftsverkehrs: Dazu gehören E-Commerce-Plattformen und Onlinetools für Terminbuchungen, wie Webshops und Apps.
Unternehmensverpflichtungen und Ausnahmeregelungen
Das BFSG betrifft eine Vielzahl von Marktteilnehmern, einschließlich Herstellern, Händlern und Importeuren der genannten Produkte und Dienstleister. Allerdings gibt es bedeutende Ausnahmen für Kleinstunternehmen. Diese sind definiert als Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern und entweder einem Jahresumsatz oder einer Bilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro. Solche Unternehmen sind von einigen Verpflichtungen ausgenommen, sofern sie keine Produkte anbieten, die explizit im Gesetz gelistet sind.
Anforderungen zur Erreichung der Barrierefreiheit
Produkte und Dienstleistungen sind dann als barrierefrei zu betrachten, wenn sie für Menschen mit Behinderungen auf übliche Weise zugänglich und nutzbar sind, ohne dass besondere Erschwernisse oder fremde Hilfe erforderlich sind. Dies bedeutet:
- Mehrkanalige Kommunikation: Informationen müssen in mehr als einem sensorischen Kanal verfügbar sein. Visuelle Informationen sollen beispielsweise auch als Audio bereitgestellt werden.
- Anpassung visueller Elemente: Größe, Helligkeit und Kontrast visuell dargestellter Elemente sollen anpassbar sein.
- Alternative Steuerungsmethoden: Die Bedienung muss auch bei eingeschränkten feinmotorischen Fähigkeiten möglich sein.
Insbesondere für Selbstbedienungsterminals bedeutet dies, dass eine Sprachausgabe möglich sein muss und die Geräte auch taktil bedienbar sein sollten. E-Book-Lesegeräte benötigen ebenfalls Möglichkeiten zur Sprachausgabe.
Rechtsfolgen bei Nicht-Einhaltung
Unternehmen, die die Barrierefreiheitsanforderungen nicht einhalten, riskieren erhebliche Strafen. Betroffene Verbraucher und bestimmte Organisationen können Verstöße bei den Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer melden. Dies kann zur Folge haben, dass Produkte oder Dienstleistungen vom Markt genommen werden müssen. Zudem drohen Bußgelder von bis zu 100.000 Euro.
Weiterhin können Wettbewerber durch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen gegen Verstöße vorgehen, was zu Unterlassungsansprüchen und Schadenersatzforderungen führen kann.
Kennzeichnungspflichten und rechtliche Absicherung
Unternehmen müssen besondere Kennzeichnungspflichten einhalten. Produkte benötigen eine eindeutige Produkt-, Typen- oder Seriennummer sowie die CE-Kennzeichnung und verständliche Gebrauchsanleitungen. Dienstleistungen müssen barrierefreie Beschreibungen und Funktionsweise-Informationen bieten. Durch das Konformitätsbewertungsverfahren können Hersteller nachweisen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden.
Insgesamt erfordert die Umsetzung des BFSG eine strategische Planung und Anpassung bestehender Angebote, um sowohl gesetzliche Vorgaben zu erfüllen als auch die Zugänglichkeit für alle Nutzer zu verbessern.